Wohlgeboren
-
. die sanfte Geburt
unseres Kindes im Geburtshaus
Ich
beschreibe hier meine Erfahrungen rund um die Geburt meines 2.
Kindes,
welches im Geburtshaus geboren wurde.
Nachdem ich bereits beim ersten Kind weitesgehend selbstbestimmt
entbunden habe, wollte ich den Weg des natürlichen Gebärens
für mich noch weiter erkunden. Die Frage war: was kann ich
noch an unnötigen Interventionen von aussen weglassen, um
dem Baby und auch mir einen entspannten und sanften Start zu ermöglichen?
Meinen
ersten Sohn habe ich ambulant mit einer Hebamme im Krankenhaus-Kreißsaal
zur Welt gebracht. Daher wusste ich aus eigenem Erfahren, was
ich während der nächsten Geburt anders erleben, anders
gestalten wollte. Zwar hielten wir uns schon damals nur so lange
wie nötig im Krankenhaus auf ( einige Stunden ), doch gab
es einiges, das für mich einfach störend und unpassend
gewesen ist und sich nicht natürlich angefühlt hatte.
Auch das Drumherum wollte ich diesmal anders gestalten. Ich wollte
bereits vor der Geburt ein Feld erschaffen, das mich als Frau
und Mutter stärkt. Dieses sollte schon während der Schwangerschaft
die Fähigkeit in mir beJAen, aus eigener Kraft ein Kind zur
Welt bringen zu können. Frei von Angst und Zweifeln, voller
Vertrauen und Hingabe an diesen natürlichen Vorgang. In entspannter
Atmosphäre und ohne unnötiges Eingreifen durch andere
Personen. Mit dem Gefühl, geborgen und beschützt zu
sein in diesem großen Moment tiefer Hingabe.
Also
las ich Berichte und Bücher, die eine natürliche Geburt
ohne ärztliches Eingreifen thematisierten - Hausgeburten,
Alleingeburten, Geburtshausgeburten. Vor allem interessierte mich
dabei das WIE und das DRUMHERUM. Und ich wollte wissen, was das
für Frauen sind, die sich zugetraut hatten, ihr Kind auf
diese Weise zu gebären.
Schnell stellte ich fest, dass es sich dabei nicht bloß
um einen bestimmten Typus Frau handelte, sondern es Frauen verschiedenster
"Machart" waren. Ich wollte das ebenfalls erleben -
wollte mich ganz diesem naturgewaltigen Vorgang hingeben und ihn
in seiner Gänze und Tiefe in meinen Erfahrungsschatz aufnehmen.
Da
die Geburt meines ersten Kindes bereits entspannt und komplikationslos
verlaufen war, konnte ich angstfrei und ohne unschöne Vorerfahrungen
an alles herangehen und wählte, dass eine Hausgeburt am ehesten
meinen Vorstellungen entsprechen würde.
Von diesem Wunsch musste ich mich leider verabschieden, denn in
meiner Wohnregion gibt es keine Hebammen, die Hausgeburten begleiten.
Das liegt auch mit daran, dass die Haftpflichtversicherung für
Hebammen seit einigen Jahren horende Prämien verlangt und
zahlreiche Hebammen aus wirtschaftlichen und Rentabilitätsgründen
ihre Praxen schliessen mussten oder in ein Anstellungsverhältniss
im Krankenhaus wechselten.
Hm, vielleicht würde ich dann eben einfach alleine zuhause
entbinden?
Bei dieser Idee blieb es allerdings nur kurz...
Als Alternative blieb nun noch das Geburtshaus. Von diesen gibt
es nur ganz wenige im Umkreis, sodaß ich eine ca einstündige
Anfahrt in die vorgeburtliche Planung mit einbeziehen musste.
Als ich die Zusage der Hebammen aus dem Geburtshaus erhielt, atmete
ich erleichtert auf.
Dazu sei gesagt, dass die Hebammen eines Geburtshauses sich absichern,
dass die Frau, die eine Geburtshausgeburt plant, psychisch und
körperlich auch dazu in der Lage ist.Mit dem nun gefundenen
Kompromiss war mein Seelenfrieden komplett und ich stimmte mich
also auf eine Geburtshausgeburt ein.
Meine
Frauenärztin bekam mich nur selten zu Gesicht während
der Schwangerschaft. Ich fühlte mich gut und sah keinen Grund,
ständig Blutdruck und Urin untersuchen zu lassen und aus
der Schwangerschaft einen behandlungsbedürftigen Zustand
machen zu lassen.
Ultraschalluntersuchungen ließ ich nur zweimal durchführen
- auch zum Schutz des Babys.
Frau sollte wissen, dass der Ultraschall eine starke Lärmbelästigung
für das empfindsame heranreifende Leben darstellt. Auch wird
ohnehin schon in so vielen anderen Bereichen des Lebens alles
ans Licht gezerrt und in seine Einzelheiten zerlegt. Ich wollte
hier der Natur ihren ungestörten Lauf lassen und den im Inneren
stattfindenden Prozess im Schutz der Verborgenheit belassen. Dass
mit dem Baby alles in Ordnung ist, sagte mir mein innerer Kompass.
Zu
meinen Hebammen baute ich über einige Monate durch regelmässig
stattfindende Termine ein Vertrauensverhältnis auf. Die Vorsorgeuntersuchungen
im Geburtshaus sehen übrigens etwas anders aus als beim Frauenarzt:
in der Stunde, die dafür eingeplant wird, findet alles ganz
in Ruhe statt. Bei einem Tee ist auch genug Zeit für das
Gespräch von Frau zu Frau. Alle beim Frauenarzt üblichen
Untersuchungen bis auf den Ultraschall können auch im Geburtshaus
durchgeführt werden (Blutdruckmessung, Urinuntersuchung,
Blutuntersuchung, Gewichtskontrolle, diverse Abstriche, CTG, Herztöne
des Kindes).
Im Geburtshaus interessiert auch immer die Geschichte, die jede
Frau mitbringt. Ein persönliches Foto jeder betreuten Frau
in deren Karteikarte soll diesen Geschichten ein Gesicht verleihen.
Ich hab mich stets gesehen, angenommen, umsorgt und vor allen
Dingen ernstgenommen mit meinen persönlichen Wünschen
gefühlt. Väter und Geschwisterkinder sind ebenfalls
gern gesehene Begleitpersonen.
Damit auf alle meine und unsere individuellen Wünsche während
der Geburt geachtet wird, hinterlegten wir unsere Geburts-Wunschliste
in unserer Akte. Wir wollten zum Bsp unbedingt, dass die Käseschmiere
nicht abgewischt wird (weil sie natürliches Vitamin K als
Blutungsprophylaxe enthält und dadurch auf die orale Gabe
von Konakion verzichtet werden kann ) und eine Lotusgeburt ( siehe
nähere Beschreibung Lotusgeburt ).
Die Hebammen gehen auf alle individuellen Wünsche ein - natürlich
stets im Hinblick auf Durchführbarkeit. Im Fall einer ernsten
oder bedrohlichen Situation, die ja doch während der Geburt
eintreten kann, arbeitet das Geburtshaus eng mit den umliegenden
Kliniken zusammen. Eine rasche ärztliche Versorgung im Notfall
ist immer gewährleistet und minimiert somit das Risiko.
Mein
innerer Kompass meldete mir, wann das Baby ungefähr geboren
werden wollte - etwas früher als der errechnete Entbindungstermin...die
Natur lässt sich nunmal nicht rechnerisch festnageln...
Der Tag, an dem sich unser Kind auf die Reise zu uns machen wollte,
begann entspannt aber mit dem Gefühl, dass heute irgendwas
geschehen würde.
Als sich die ersten zarten und noch unregelmässigen Wehen
bemerkbar machten, blieb ich noch ganz ruhig. Ich wollte abwarten,
bis sich eine klare und deutliche Regelmässigkeit im Muster
der Gebärmutterkontraktionen zeigte. Ausserdem wollte ich
nicht zu früh im Geburtshaus sein, um die vertraute Umgebung
zuhause noch solange wie möglich zu nutzen. Entspannung bei
der werdenden Mama ist absolut essentiell für den harmonischen
Ablauf und eine sanfte Geburt.
Anspannung kann die Wehen wieder abschwächen, der Geburtsablauf
kann gebremst werden oder gar ganz zum Stillstand kommen. So war
es mir bei der ersten Geburt ergangen. Bei der Ankunft im Krankenhaus
verschwanden die Wehen - die ganzen Formalitäten bei der
Aufnahme sowie die Untersuchung durch den Arzt empfand ich als
sehr störend. Genau wie den vorsorglich gelegten venösen
Zugang - der drückte, ziepte und schränkte mich in meiner
Bewegungsfreiheit ein. Rückblickend betrachtet also kein
Wunder, dass es erstmal nicht weiter ging und der Geburtsverlauf
für gewisse Zeit stagnierte.
Das war dieses Mal ganz anders, denn ich konnte mich zuhause ganz
den Wehen hingeben, ganz eintauchen in das immer lauter werden
der Kontraktionswellen. Ich lauschte nach innen, um den richtigen
Zeitpunkt fürs Losfahren zu erkennen. Der Weg ins Geburtshaus
würde immerhin nochmal eine gute Stunde dauern.
Im
Geburtshaus angekommen blieben noch ein paar wenige Augenblicke
fürs mentale Ankommen. Unsere Hebamme hatte ich schon einige
Stunden zuvor informiert, dass sie sich bereit halten solle.
Es war alles vorbereitet.
Ich staunte, dass der Muttermund zu diesem Zeitpunkt bereits sehr
weit geöffnet war.
Einen Großteil der Eröffnungsphase hatte ich also schon
zuhause und während der Autofahrt durchgearbeitet - in aller
Ruhe und in mich selbst versunken. Immer wenn eine Kontraktionswelle
angerollt kam stellte ich mir bildhaft vor, was diese gerade an
meiner Gebärmutter bewirkt - dass sich der Muttermund öffnet
und den Weg fürs Baby freigibt.
So nahm ich den Prozess nicht so sehr als Schmerz wahr sondern
als eine formende
Kraft - als eine sehr aktive Kraft, die sehr zielgerichtet ist.
Gedanklich half ich mit, den Muttermund zu weiten. Das verringerte
die Schmerzempfindung nochmals.
Im Gebärzimmer angelangt, intensivierte sich die Kraft der
Geburtswellen und ich wusste,
dass es nun kein Zurück mehr gab und die Geburt in vollem
Gang war. Die Wellen waren nun so intensiv, dass ich auf einen
Ton ausatmen musste um ihnen begegnen zu können.
Ein Teil meiner Selbst stand beobachtend neben mir und empfand
dieses Tönen als sehr erdig,
sehr archaisch.
Schmerz ist nicht das richtige Wort für die Empfindung bei
einer Kontraktionswelle - urgewaltige, tief hineingreifende Kraft
trifft es besser. Die Kunst und der eigentliche Schlüssel
liegen darin,
sich bei dieser kraftvollen, oftmals als Schmerz geschilderten
Empfindung nicht zu verkrampfen, sondern im Gegenteil ganz weit
zu werden - alle Kraft ins Weitwerden, ins Weichwerden lenken,
statt gegen den "Schmerz" zu agieren und dadurch Enge
zu erschaffen.
Diese sehr intensive Phase dauerte ca 30 Minuten. Ich legte mich
währenddessen bewusst
nicht ins Bett sondern bewegte mich durch den Raum und probierte
verschiedene
Positionen - am wohlsten fühlte ich mich mit dem Oberkörper
hängend im Tuch.
Dabei konnte ich mein Körpergewicht ans Tuch abgeben und
der Unterkörper
entspannte sich-was widerum sehr hilfreich für den Öffnungsprozess
ist.
Kurz vor Einsetzen der Presswehen fand ich gemeinsam mit meinem
Mann eine wunderbare Gebärposition, in der er mich mit seinem
Körper unterstützen konnte und mir gleichzeitig Geborgenheit
schenken konnte ( Kniestand/4-Füsslerstand ).
Der Druck nach unten wurde jetzt so stark, dass die Fruchtblase
platzte.
Mit einem großen Platsch landete das Fruchtwasser unter
mir.
Dieses Erlebnis war mir bei der ersten Geburt verwehrt geblieben
- da wurde aus Zeitgründen die Blase künstlich geöffnet.
Damals stimmte ich dem zu, da ich der Hebamme vertraute und erst
später bewusst zur Kenntnis nahm, dass die intakte Fruchtblase
das Köpfchen vor mechanischen Einwirkungen schützt,
während es sich seinen Weg durch Mamas knöchernes Becken
bahnt.
Die
Hebamme hatte inzwischen für die finale Geburtsphase eine
zweite Hebamme hinzu geholt. Beide ließen mich weitesgehend
ungestört und in meinem Tempo diesen Tanz mit meinem Kind
vollführen. Sie leisteten lediglich die nötigsten Handgriffe
wie den Dammschutz , hörten die Herztöne des Kindes
ab oder informierten mich, wo ich mich auf dem Geburtsweg gerade
befand.
Irgendwann nach der 3. Presswehe ( die Bezeichnung finde ich unpassend,
denn pressen ist wenig hilfreich und oft weiß Frau gar nicht,
wie sie das genau bewerkstelligen soll.
Wesentlich hilfreicher ist es, mit anzuschieben - das Kind sanft
herauszuschieben
) konnte ich nicht anders und verkündete,
dass ich nicht mehr kann und keine Kraft mehr habe. Ich erinnere
mich, dass dies bei der ersten Geburt genauso gewesen ist. Wie
ich im Nachhinein erfuhr, machen das die meisten Frauen. Dies
ist ein Zeichen dafür, dass die Geburt sich dem Ende nähert.
So war es auch - das Kind schob das Köpfchen heraus und nach
noch einer letzten Welle wurde der kleine Körper geboren.
Ich kannte dieses Gefühl bereits - als gleite ein Teller
Spaghetti
(Zitat aus einem Film) aus mir heraus.
Befreit lachte ich auf...Der Tanz war vollführt - alle Beteiligten
hatte die Choreografie perfekt ausgeführt. Der Teil der Geburt,
den ich zusammen mit den Hebammen im Geburtshaus erlebte, hatte
nur eine Stunde gedauert. Mein Damm war unverletzt, das Baby wohlauf.
Beide
Hebammen führten mich mit meinem Baby im Arm zum großen
Familienbett. Dort warteten wir auf die Geburt der Plazenta, welche
ca eine Stunde später stattfand. Unser Kind wurde nicht abgenabelt
- es sollte mit seiner Plazenta verbunden bleiben bis es selbst
die Verbindung zu durchtrennen bereit war - siehe Lotusgeburt.
Ungefähr 3 Stunden nachdem unser Sohn das Licht der Welt
erblickt hatte, fuhren wir nach hause. Glücklich und neugierig,
was dieses kleine Menschlein an Veränderungen in unserem
Leben bedeuten würde.

Eine
Geburt hat immer etwas Unvorhersehbares, nicht Berechenbares -
das liegt in der Natur der Geburt. Die Unberechenbarkeit kann
Angst und Zweifel im Vorfeld erzeugen.
Auch ich hatte manches Mal Gedankengänge wie:
wird alles gutgehen? Was, wenn es Komplikationen gibt?
Ich beschloss aber, ganz im Vertrauen zu bleiben, auf mein Bauchgefühl
und meine weibliche Intuition zu achten. Diese sagten ganz deutlich,
dass alles in Ordnung sein würde und ich ganz entspannt in
den Geburtsvorgang hineingehen könne. Eine entspannte Grundeinstellung
ist das Alpha und Omega dafür, dass eine Geburt reibungslos
und harmonisch ablaufen kann, dass sich alles zu seiner Zeit entfalten
kann.
Ich fühle mich reich beschenkt - mit einem ganz gesunden
Kind, das einen natürlich-harmonischen Start ins Leben hatte
und mit dieser sehr bereichernden Erfahrung, die mich in meinem
Frausein ungemein stärkt.
Abschließend sei noch angemerkt, dass ich absolut gesund
bin - dies ist die notwendige Grundlage für eine solche Geburt
ohne ärztliche Begleitung!
Ich rate bei Unsicherheiten, vorbestehenden gesundheitlichen Einschränkungen
oder bei Komplikationen während der Schwangerschaft unbedingt
zu einer ärztlichen Betreuung während der Geburt, um
unnötige Risiken für Mutter und Kind zu vermeiden. Dieser
Bericht soll lediglich aufzeigen, was möglich ist - er zeigt
meinen ganz eigenen Weg.
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